Suppan Raimund

Ich habe zwei Geschwister, eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder.Meine Erinnerungen beginnen mit zirka 4 Jahren und sind zum Teil sehr deutlich. Vom Krieg habe ich bewusst nichts registriert, obwohl undeutliche Episoden wie die Flucht in den Keller bei Alarm, die Angst und der Lärm in der Finsternis vorhanden waren.In diesen Tagen verloren wir die Wohnung durch Plünderung und meine Mutter musste mit uns kleinen Kindern nach Oberösterreich flüchten. Mein Vater war in dieser Zeit im Krieg und anschließend ein Jahr in englischer Kriegsgefangenschaft. Wir fanden Aufnahme bei einem Bauer und als mein Vater heimkehrte, halfen meine Eltern am Hof.Ende 1946 kehrten wir nach Wien zurück und konnten bei den Eltern meiner Mutter wohnen. Auf 36 m² lebten 7 Personen auf engstem Raum. Damals für uns Kinder kein Problem. Meine Eltern hatten alles verloren und so waren sie froh, diese Möglichkeit zu haben.In dieser Zeit fehlte es in Wien, der zerbombten Stadt, an Lebensmitteln, ärztlicher Versorgung, Kleidung und natürlich Geld und Arbeit.

Anfang des Jahres 1949 erfuhren meine Eltern von einer europäischen Hilfsaktion, der kirchlichen Caritas, für bedürftige Kinder. Einige Länder darunter auch Spanien, waren bereit, Kinder aufzunehmen und so zu helfen.Ich hatte das Glück dabei zu sein und im Juni 1949 wurde ein Kindertransport per Eisenbahn verschickt. Meiner Erinnerung nach ein traumatisches Erlebnis des Abschieds mit viel Tränen und Angst trotz der vielen anderen Kinder.Die Fahrt selbst war eine große Strapaz für alle Kinder und Begleiter. Ich glaube, wir waren fast 3 Tage unterwegs und litten unter Durst und Hitze.

In Spanien, Pamplona, angekommen, waren wir eine zeitlang gemeinsam untergebracht und nach und nach wurden die Kinder von Pflegeeltern abgeholt. So auch ich. Eines Tages standen ein Mann und eine Frau vor mir, blickten freundlich und sprachen ganz fremd. Sie nahmen mich mit und wir fuhren in einem Auto nach Berga, Katalonien, am Fuße der Pyrenäen. Ein Dorf mit ca. 2000 Einwohnern.

Mein Pflegevater war dort Anwalt und Richter und die Familie wohnte in einem villenartigen Gebäude, welches auch gleichzeitig das Gericht war. Ich hatte dort 4 Pflegegeschwister, eine Schwester und 3 Brüder. Nach kurzer Zeit hatten wir Kinder auch ohne Sprachkenntnisse die Scheu überwunden und ich war einer von ihnen. Meine Pflegemutter war die Organisatorin des Haushaltes und des Personals. Ich glaube es gab 3 Personen zur Hilfe. Ich hatte bald den Trennungsschmerz von meinen Eltern vergessen und fühlte mich sehr wohl und geborgen. Der Umgang innerhalb der Familie war sehr respektvoll den Eltern gegenüber, aber herzlich und liebevoll für uns Kinder. Sonntags war Kirchgang und die ganze Familie war festlich gekleidet. Die Eltern wurden ehrerbietig von weitem auf der Straße gegrüßt. Bei Kirchenfesten gingen wir Kinder ganz weiß gekleidet vor der Prozession her und waren sehr aufgeregt.

Von meiner Pflegemutter wurde ich angehalten, meinen Eltern zu schreiben, ich ging ja auch in Spanien zur Schule, doch das fiel mir immer schwerer, denn meine Deutschkenntnisse wurden immer weniger.Im Februar 1950 war dann für mich überraschend die Heimkehr nach Österreich. So wiederholte sich der Abschiedsschmerz von meinen spanischen Eltern und Geschwistern, denn ich war ein Teil dieser Familie geworden und war dort zu Hause.In Wien angekommen war ich trotz der Wiedersehensfreude mit meiner Familie noch traurig über die Trennung, nicht zuletzt deshalb, weil ich die deutsche Sprache verlernt hatte und mich niemand verstand. So hatte ich in der Schule große Schwierigkeiten in Deutsch und Lesen und durfte dann nur mit großer Nachsicht in die nächste Klasse aufsteigen.

In Dankbarkeit denke ich noch heute an meine spanischen Pflegeeltern, die mit Nächstenliebe und Mitgefühl anderen Menschen geholfen haben, in diesem Fall mir und damit auch meinen leiblichen Eltern. Ich fühle noch heute tiefe Verbundenheit mit meiner spanischen Familie und Spanien.